Sportler sieht man in Trikots, ganz klar. Entweder sie werfen Basebälle, Kegel, Handbälle, Basketbälle. Oder sie jagen Volleybällen nach, laufen gegen die Zeit, springen hoch und/oder weit. Sieht man Athleten in normaler Kleidung, kann schon mal die Frage fallen: Was ist denn mit dir? Heute gar kein Sport?
Tobias Hörger ist Ballkünstler. Bei den Fußballern des FV Sontheim beackert er die linke Außenbahn. Normalerweise. Aktuell ist der 28-Jährige zwar verletzt, doch in „zivil“ sieht man ihn während seiner Freizeit häufiger. Dann, wenn es zu „seinen“ Hühnern geht.
Die Familie betreibt eine Nebenerwerbslandwirtschaft. Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie kam 2020 die Idee auf, eigene Hühner zu halten. „Ich habe mal Hühnerställe gesehen und hatte den Eindruck, dass das Bewusstsein für regionale Produkte stärker geworden ist“, erinnert sich Hörger. Die Infrastruktur war gegeben: Wiesen und ein Fuhrpark. Dem ersten mobilen Stall folgte ein Jahr später ein zweiter, wiederum ein Jahr darauf ein dritter.
Insgesamt hält die Familie Hörger 1000 Hühner. Hybridhühner. „Ich finde es echt witzig. Mein Opa hatte schon immer Hühner, so 10 bis 15. Die waren scheu, unsere sind aber total zutraulich und neugierig. Es sind echt schöne Tiere, die angelaufen kommen, wenn ich komme“, erzählt Hörger.
Gackern, Picken, Scharren. Mit etwas Fantasie könnte man einen Bogen zu einer Fußballerkabine schlagen. „Hier erzählen wir uns alles – und lachen viel“, räumt Hörger ein und nennt ein Beispiel: „Ich weiß nicht mehr, wer darauf kam, Kaste (Michael Kastler, Spieler) oder Hannes (Abteilungsleiter Hannes Blank). Aber es gab die Idee eines Hosen-Sponsorings: Vorne links auf den Shorts soll ‚Freilandeier Sontheim‘ – und rechts ‚Wir haben die dicksten Eier‘ stehen‘“, erzählt Hörger – und lacht. „Vielleicht werden wir das mal umsetzen.“ Nur gut, dass er auch Teil des Sponsoringteams des FV Sontheim ist.
Tagsüber können die Hühner auf der Wiese ihrem natürlichen Verhalten nachgehen, sagt Hörger. „Hier haben sie frisches Grün, sie können im Gras wühlen, scharren oder picken. Abends gehen sie von sich aus in den jeweiligen Stall. Das funktioniert super, es passiert nur selten, dass einzelne Hühner abends noch draußen sind.“ Die Klappen schließen sich automatisch, dank einer PV-Anlage. Das Gleiche gilt auch für das Futterband innerhalb des Hühnerstalls. Natürlich gibt es auch Überwachungskameras in den Ställen. „Es ist total faszinierend, wie die Hühner auf ihren Stangen sitzen und brav warten, um ihre Eier zu legen“, sagt Hörger. Fußballtrainer können von solch folgsamen Spielern dagegen oft nur träumen.
Die Familie schaut regelmäßig nach den Hühnern, füllt Wasser oder Futter auf, mistet. „Da brauchen wir aber keine Mistgabel“, sagt Hörger und lacht. Mithilfe eines Förderbands kommt der Hühnerkot direkt in die Frontlader-Schaufel eines Traktors. Etwas Luxus muss dann doch sein.
„Es kommt schon mal vor, dass ich vor einem Spiel Eier geholt habe und nach dem Spiel abends wieder hin bin“, sagt Tobias Hörger. „Ich finde es cool, ein quasi eigenes Produkt in der Hand zu halten. Und wenn man sich nicht darum kümmert, gibt es halt kein Produkt.“
Sein Tipp: „Vor dem Fußballspiel esse ich gerne ein getoastetes Brot mit Avocado und Rührei drauf. Das gibt besonders viel Energie.“ Dann rennt er voller Elan die Außenbahn rauf und runter. Und die Eier landen bei Hörgers nicht nur auf dem eigenen Tisch. „Wir verkaufen Eier und auch Nudeln aus den Eiern über den Hofladen, unser Eierhäusle in Sontheim. Der größte Anteil geht aber an regionale Märkte.“
Die Hühner kommen mit 17, 18 Wochen von einem Aufzuchtbetrieb im Allgäu – und bleiben knapp 14 Monate – deutlich länger, als so manch ein Trainer in der ersten und zweiten Bundesliga im Amt ist. In zehn Tagen legen die Hühner im Durchschnitt neun Eier. (In einer früheren Version des Textes stand fälschlicherweise: „Pro Tag legen die Hühner im Durchschnitt neun Eier.“) Und wie sieht’s mit Spitznamen aus? Damit tut man sich generell schwer, sagt Hörger. „Wir hatten mal ein Huhn, das gehinkt hat. Das war dann die hinkende Lotta.“
Einige Mitspieler, vor allem die mit Kindern, nutzten die Hühnerställe gerne als Ausflugsziel. Stehen die Ställe nah an einer für Radfahrer gut zugänglichen Stelle, bekommen die Hühner auch von diesen Besuch, sagt Hörger aus Erfahrung. „Für mich selbst ist die Arbeit mit den Hühnern ähnlich wie Fußball: Es ist gut, um den Kopf freizubekommen. Aber es ist ein anderes Kopf-frei-bekommen“, sagt der Abteilungsleiter für Infrastruktur und Logistik bei der Firma Zeiss. Er schätze dann die Ruhe, die angenehme Atmosphäre. „Egal, ob ich Stress habe, zum Beispiel bei der Arbeit. Es ist super zum Runterkommen“, so Hörger. Ob er später mal selbst auch Hühner halten werde? „Auf jeden Fall. Ich bin ja der Junior“, sagt Tobias Hörger voller Stolz – und lächelt verschmitzt.
Gespannt ist er auch über die Resonanz. „Ich mache bei dieser Serie sehr gerne mit und habe meinen Freunden und meiner Mannschaft gleich davon erzählt. Schon da gab’s viele Lacher.“ Daher lautet Hörgers Aufforderung: „Ich hoffe, dass sich dadurch ein paar angesprochen fühlen. Sie sollen den Spaß mitmachen und zeigen, was sie für Haustiere haben“, sagt der Fußballer und schiebt scherzhaft nach: „Irgendwas mit Tieren.“ Das zieht doch bestimmt?