Herren I: Der lange Leidensweg und der Weg zum Comeback

20.04.2022

Bericht: Edgar Deibert, Heidenheimer Zeitung

Herren I:

Verletzter Leistungsträger: Jorgo Kentiridis vom FV Sontheim über seinen Leidensweg

Bereits knapp sechseinhalb Monate müssen die Landesliga-Fußballer des FV Sontheim auf Vizekapitän Jorgo Kentiridis verzichten. Was der 26-Jährige über seine Verletzung sagt, was er schon alles probiert hat und was seine Aussichten sind:

Wie sehr hat er das vermisst: „Kann sich der Neue bitte einmal vorstellen?“, wird Jorgo Kentiridis mit einem schelmischen Grinsen empfangen, als er den Trainingsplatz des FV Sontheim betritt. Bei seiner ersten Ballberührung wird ihm chorgleich ein „Jaaaaaaaaaa!“ um die Ohren geschmettert. Dumme Sprüche gehören eben dazu. Das weiß auch Kentiridis. Bereits vor der Einheit ahnte er, was kommen wird: „Wahrscheinlich muss ich mir erst einmal einiges anhören“, so der 26-Jährige im Vorfeld dieses Abends. „Aber ich habe auch etwas parat“, schob er nach.

Innerhalb einer Mannschaft ist es ein Geben und Nehmen, auch verbal. Wobei es nicht irgendein Abend auf dem Sontheimer Hülenberg ist. Es ist der Abend, an dem sich Jorgo Kentiridis zum ersten Mal seit langer Zeit mit seinen Mitspielern in der Kabine umziehen wird: Mittwoch, 13. April.

Letztes Spiel am 3. Oktober

„Am 3. Oktober. Hier gegen Weilimdorf beim 1:1. Da haben wir in der 94. Minute noch den Ausgleich bekommen.“ Kentiridis weiß ganz genau, wann er das letzte Spiel für den FV Sontheim bestritten hat. Vier Wochen zuvor habe er bereits gespürt, dass etwas nicht stimmt. Wie Sportler es halt so handhaben: Sie machen zunächst weiter, ohne auf ihren Körper zu hören. Den Fehler, weiterzuspielen, würde er heute nicht wieder machen, sagt er. „In der Zeit haben wir eh kein Spiel mehr gewonnen. Das kommt noch dazu“, scherzt er.

Leistungsträger und Vizekapitän

Kentiridis ist absoluter Leistungsträger der Landesliga-Fußballer. Vizekapitän. Und das als Nicht-Sontheimer. „Jorgo ist ein Führungsspieler. Die Jungen schauen zu ihm auf, orientieren sich auch an ihm“, weiß Trainer Sebastian Knäulein.

Doch in dieser Saison hat es Kentiridis, der mit seiner Trikotnummer 17 als einer der athletischsten Spieler auf dem Platz auffällt, so richtig erwischt. Nach der Sommervorbereitung habe er sich so fit wie noch nie gefühlt, sagt der Herbrechtinger. Er war auch nie verletzungsanfällig. Doch dann erlitt er zunächst eine Rippenprellung. Während einer Trainingseinheit probierte er sich als Torwart aus, kam bei einer Parade unglücklich auf. Er verpasste ein Pokalspiel und den ersten Spieltag. Nun plagt ihn eine Schambeinentzündung. Ärzte vermuten, dass die beiden Verletzungen durchaus zusammenhängen könnten, sagt Kentiridis.

Bei bislang sieben Ärzten

Und Ärzte hat er in den vergangenen sechseinhalb Monaten genug gesehen. Bei sieben war er bislang. Auch Osteopathen und Heilpraktikern. Er hat alles durch. „Ich muss alles selbst zahlen, das ist sehr teuer geworden“, sagt er. Eine Schambeinentzündung also. Damit kann man nicht mehr spielen? „Wenn jemand noch keine Schambeinentzündung hatte, der kann gar nicht verstehen, wie die Verletzung ist“, sagt Kentiridis. „Du liegst im Bett und hast Schmerzen, sobald Du aufstehen willst, da du den Bauchmuskel anspannst. Es sticht neben der Leiste sofort rein.“ Oder ein anderes Beispiel: Wenn etwas vom Tisch herunterfliegt und er es schnell aufheben will, zieht’s auch rein. „Dann ist die Verletzung wieder im Kopf“, beschreibt der Fußballer.

Bei der Diagnose Schambeinentzündung habe er sich auch dumme Sprüche anhören dürfen. „Ich hätte ja selbst nie gedacht, dass man damit so lange ausfällt. Ich kann über alles lachen. Aber witzig ist es nicht mehr“, sagt Kentiridis.

Und er musste lernen, geduldiger zu werden. Bei der ersten Diagnose im Oktober 2021 hieß es noch: sechs Wochen Pause. „Damals dachte ich: Scheiße, dann ist ja die Hinrunde gelaufen. Doch nach sechs Wochen hat sich nichts getan, ich hatte Schmerzen beim Gehen.“ Also verschob sich das Ziel: Kentiridis hoffte im Januar in die Wintervorbereitung einsteigen zu können. Auch diese Hoffnung zerschlug sich.

Training auf der Tartanbahn

Nachdem ein Heilpraktiker seinen Rücken eingestellt hat, mache er Fortschritte. Das war Mitte Januar. Mittlerweile joggt er leicht. Dies allerdings auf der Tartanbahn im Hebrechtinger Bibrisstadion, da sie weicher ist als normaler Boden. Zudem stellt Kentiridis einen Parcours für Mobilitäts- und Stabilisierungsübungen auf. „Aber sobald es um Sprints, Ball schießen oder schnelle Richtungswechsel geht, tut’s weh“, beschreibt er.

Aktuell probiert er eine Stoßwellentherapie aus. Weitere Optionen seien Spritzen oder gar eine Operation. Sportinvalide? Auch wenn es eine schwierige Situation sei, habe er sich darüber nicht einmal Gedanken gemacht, betont er. Ja, er war traurig. Aber auch wütend. Dann etwa, wenn er mal wieder angefangen hat zu trainieren, allerdings gemerkt habe, dass es doch nicht geht. Die Hoffnung habe er aber nie verloren. „Ich bin noch jung. Ich denke schon, dass ich noch stärker zurückkommen kann. Aber es braucht Zeit. Ich habe Respekt vor dieser Verletzung und bin noch meilenweit vom Fußballspielen entfernt.“

An diesem Mittwoch genießt er aber die Nähe zur Mannschaft. Während seine Mitspieler auf dem Platz trainieren, absolviert Kentiridis abseits seine Übungen. Dennoch ein großer Schritt: er wird miteinbezogen. „Jorgo, schreib’s bitte auf“, heißt es dann zum Beispiel. Kentiridis ist nämlich Kassenwart und als solcher für den Strafenkatalog zuständig. Die Einnahmen für diesen haben auch unter seinem Fehlen gelitten.

Sommervorbereitung als Ziel

Mit einem Comeback bei einem Spiel wird’s in dieser Saison aber wohl nichts mehr. Jorgo Kentiridis will auch kein Risiko eingehen. Sein nächstes Ziel ist es aber, in der Sommervorbereitung in knapp zweieinhalb Monaten ohne Schmerzen wieder richtig mit dem Team mitzutrainieren. Und dann auch wieder verstärkt „in der Kabine einen Scheiß rausschwätzen“ zu können, wie er sagt. Ob er viel nachzuholen habe? „Ja, sehr viel.“